Mittwoch, 4. März 2015

Prometheus (J.W. Goethe, 1772)

Bedecke deinen Himmel Zeus
Mit Wolkendunst! 
Und übe Knabengleich
Der Disteln köpft
An Eichen dich und Bergeshöhn! 
Mußt mir meine Erde 
Doch lassen stehn, 
Und meine Hütte 
Die du nicht gebaut, 
Und meinen Herd
Um dessen Glut 
Du mich beneidest. 

Ich kenne nichts ärmers 
Unter der Sonn als euch Götter. 
Ihr nähret kümmerlich 
Von Opfersteuern 
Und Gebetshauch 
Eure Majestät 
Und darbtet wären 
Nicht Kinder und Bettler 
Hoffnungsvolle Toren. 

Da ich ein Kind war
Nicht wußt wo aus wo ein
Kehrt ich mein verirrtes Aug
Zur Sonne als wenn drüber wär
Ein Ohr zu hören meine Klage
Ein Herz wie meins
Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir wider 
Der Titanen Übermut
Wer rettete vom Tode mich
Von Sklaverei? 
Hast du’s nicht alles selbst vollendet
Heilig glühend Herz? 
Und glühtest jung und gut
Betrogen, Rettungsdank 
Dem Schlafenden dadroben 

Ich dich ehren? Wofür? 
Hast du die Schmerzen gelindert 
Je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet 
Je des Geängsteten? 
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit 
Und das ewige Schicksal
Meine Herrn und deine?

Wähntest etwa, 
Ich sollt das Leben hassen
In Wüsten fliehn, 
Weil nicht alle Knabenmorgen 
Blütenträume reiften.

Hier sitz ich, forme Menschen 
Nach meinem Bilde 
Ein Geschlecht das mir gleich sei
Zu leiden, weinen
Genießen und zu freuen sich, 
Und dein nicht zu achten, 
Wie ich!



(frühe Fassung, Quelle)





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