Dienstag, 30. August 2016

Oberlins Geschichte (63-77)

Oberlins Tagebuch ist zwar wertend geschrieben, aber es klärt die ganze Lenz Geschichte von Büchner auf (es füllt Lücken, die Büchner in seiner Erzählung zulässt). Er schreibt oft von sich selbst, wie er über Lenz denkt, und weniger, wie Lenz sich fühlt. (Das ergibt sich ja aus seiner Ich-Perspektive)
Man bekommt die Geschichte von einem "gesunden" Gehirn erzählt. Man erkennt auch Passagen die sehr wohl in Büchners Lenz Erzählung wortwörtlich vorkommen.  Jedoch merkt an auch, wie viel in Büchners Text weggelassen worden ist. Der Schluss ist in Oberlins Eintrag viel länger und ausführlicher beschrieben, während in "Lenz" alles unklarer wird. Somit werden seine unzähligen Selbstmordversuche (die erwähnt Büchner allerdings) und seine Gefühlsattacken gegenüber Frauen  bekannt.

Wortwörtliche Beispiele:
Seite 68 zweiter Absatz
Seite 70 zweiter Absatz

Unterschiede findet man vor allem am Ende.


Literaturgeschichte, Empfindsamkeit; Briefroman; Werther

Empfindsamkeit: Texte die das Mitgefühl anderer erwecken wollen. Diese Strömung kam Ende 18. Jahrhunderts auf während der Epoche des Sturm und Drangs. Ein gutes Beispiel ist Lessing und Goethe. Briefroman: Das ist eine Romanform im 18. Jahrhundert. Sie steht für Subjektivität, Authentizität um seelische Zustände und Vorgänge zu veranschaulichen. Ein gutes Beispiel ist “Die Leiden des jungen Werthers. “ Werther: Roman die Leiden des jungen Werthers ist 1774 erschienen. Wurde kritisiert, da Goethe den Suizid als einzigen Ausweg aus der schlechten Welt bezeichnet hat. der Aufklärer Nicolai hat “die Freuden des jungen Werthers” geschrieben in diesem Roman gab es ein Happyend und er scheiterte am Suizid. Als die Gesellschaft 2 Jahrhundert später bereit war wurde der Roman “die neuen Leiden des jungen Werthers” geschrieben.

Reclam Buch, Joëlle, Viviane, Manuel

Die Leser und das Lesen - S.226/227
  • strenge Zensur
  • Latein und erbaulich-Religiöse Literatur verloren an Bedeutung
  • Literatur zur “Unterhaltung”
  • Leihbibliothek und Lesegesellschaften
  • von “intensiven zu extensivem” Lesen
  • Kinder:
    • ‘nicht professionelles’ Lesen
  • Männer:
    • Zeitungen
    • Magazine
    • Sachbücher
  • Frauen:
    • “Schöne” Literatur

Sturm und Drang - S.230/231
  • literarische ’Jugendbewegung’ (Höhepunkt 1770)
  • grössere Autonomie
  • Freiheit des Individuum
  • Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung
  • Veränderung der Sichtweise auf eine einschränkende, radikale Gesellschaft
  • Rebellion gegen französischen Klassizismus
  • Genieästhetik in Kunst
  • Versöhnung von Gefühlen und Vernunft

Jakob Michael Reinhold Lenz - S.238/239

  • Doppelt berühmt:
    • eigene Werke
    • Hauptperson in anderen Werken
  • Bekannt für Dramen, offen und wirklichkeitsnah
  • Komplexe, exzentrische, schwierige Persönlichkeit
  • Geschädigter Charakter zurückzuführen auf Kindheit
  • Sah sich zusammen mit Goethe als Erneuerer der deutschen Literatur
  • Büchner:
    • Interessiert an Lenz Charakter
    • Recherchebeginn: 1835
    • Grenzen von Innen- und Aussenwelt, von Vernunft und Wahnsinn

August Stöber: Der Dichter Lenz (4. Quelle Seite 85-92)

Stöber schreibt im allgemeinen über das liefert Einzelheiten zum Leben von Jakob Michael Reinhold Lenz. Er beschreibt dieses als eher traurig, von vielen Misserfolgen geprägt und zeigt auch Lenz's emotionale Seite, vor allem, wie er sich fühlte, als Goethe aus Strassbourg wegging und wie er (Lenz? Goethe?) seine Liebe (wie ist das zu verstehen?) verliess (Friederike Brion) und wie ihn das fertig machte. Aber er zeigt auch die guten Seiten in Lenzens Lenz' Leben, wie zum Beispiel die Zeit, als Goethe noch in Strassbourg war, dem Ort, in welchem Lenz studierte. In dieser Zeit arbeitete dieser viel und publizierte auch einige Übersetzungen und Analysen von bekannten Texten, genauso wie Analysen derselben. Er beschreibt auch wie er noch Nachdem er das Steinthal verlassen hatte, begann er noch eine Schusterlehre begann und den Tod von Lenz in Moskau, wo sich niemand mehr darum kümmerte ob er lebte oder tot war.
Stöbers Quelle waren Briefe von Lenz selbst, somit konnte er gut nachvollziehen, was Lenz dachte und fühlte, da er dies niedergeschrieben hatte.

Donnerstag, 25. August 2016

Leseaufträge: Aufsätze zu ›Lenz‹ und Literaturgeschichte

Aufsätze zu Lenz im Anhang

63-76 Oberlin (Mirja, Anouk, Carmen)
77-84 Schlichtgroll,  Goethe (Sarah, Julia, Julia)
85-92 Stöber (Julian, Stefan)
92-99 Gutzkow, Gervinus, Schmidt (Patrick, Sami)
99-108 Landau, Zweig (Matthias Hauck, Joel, Benjamin Huber)
110-120 Mayer, Irle (Cyra, Matthias Huber)

Reclam Literaturgeschichte

Manuel, Joelle, Viviane

S. 226f. Literaturbetrieb, Lesesucht. Lesegewohnheiten
230f. Sturm-und-Drang
S. 238f. Jakob M.R. Lenz

Sandra, Melissa, Kathrin

240f. Empfindsamkeit
242f. Briefroman
244f. Werther

Mittwoch, 24. August 2016

Nach dem ›Kunstgespräch‹: Der Krankheitsverlauf von Lenz in 12+ Stationen anhand der von Büchner beschriebenen Symptome

19 Zwei Momente bringen Lenz an den Rand: 1. Kaufmann bringt Lenz' Vater ins Gespräch. 2. Oberlin beschließt abzureisen
Aufruhr, Lenz bittet um Ruhe, die er gerade erst wieder gefunden habe im Steintal (1)

20ff Lenz wandert einsam. Das spastische Mädchen in der Hütte. Der unheimliche Fremde, der sie mit Gebeten und Kräutern und esoterischen Mitteln zu heilen versucht. (2)

23 Mme Oberlins Lied bringt ihn auf das Schicksal Friederike Brions (47). Seine Schuldgefühle. (3)

24 Lenz als Büßer in Sack & Asche, fastet und bittet Gott um ein Zeichen. Das tote Mädchen in Fouday, seine größenwahnsinnige Idee, sie zum Leben zu erwecken. Er verzweifelt, fühlt sich von Gott verspottet. (4)

25 verfällt in Atheismus (5)

26 Oberlins Rückkehr. Seine erneuten Schuldgefühle betreffen nun auch seine tote Mutter.

27 Er bittet Oberlin, ihn auszupeitschen. Flagellare. (6) 

27f. Nächtlicher Aufruhr, dann Ennui, Langeweile, Gottesferne: Monolog des Ennuis (7)

28 Fragt sich, ob er träumt oder wach ist, erneuter Suizidversuch, erscheint bei Oberlin, Gesicht in Asche (8)

28f. Besucht das tote Mädchen in Fouday. Panikattacke auf dem Heimweg, versucht seine Begleiter abzuschütteln. Betet auf Oberlins Rat hin die ganze Nacht durch. (9)

30 Depression, Bild vom Riss in der Welt, Verdoppelung, redet zu sich selber (10) Angstattacken, versetzt sich in andere, bis er denkt, er sei sie. (11)

31 Alles außer Oberlin scheint ihm kalt, er hat Inception-Fantasien, grimassiert, Duell mit der Katze, Wahnsinn packt ihn. (12) Er denkt, die Welt existiere nur in seinem Kopf und er sei der Satan (13)

32 Er klagt, dass Gott das Leiden nicht beende, macht halbgare Suizidversuche, der Schmerz soll ihm zum Bewusstsein verhelfen (14)

33 fast nackt bleibt er auf dem Bett liegen, isst nichts mehr, er scheint äußerlich erst normal, dann klagt er über die schreiende Stille (15)

34 Seine Fühllosigkeit, Agonie, Apathie, als er nach Straßburg gebracht wird

Samstag, 20. August 2016

Wie ist ›Lenz‹ strukturiert?

Unterschied zu Oberlin

Kein distanzierter Bericht aus einer übergeordneten Perspektive wie bei Oberlin, von ordnender Hand gegliedert und miteinander hierarchisch verknüpft.
Perspektivische Erweiterung von Oberlins Bericht: Büchner beschränkt sich nicht auf sichtbare Phänomene, verzichtet dafür auf Erklärungen oder moralische Deutungen.

Parataktisches Erzählen

Lockeres Gefüge von in sich selbständigen Szenen, die gleichwertig nebeneinander stehen
Ein Stationenspiel von inneren Zuständen, Handlungen und Beschreibungen aus der Wahrnehmung von Lenz und von außen, polyperspektivisch und synchron.
z.B. 14,21f. »er schlief ein, der Vollmond stand am Himmel.«

Abweichung von erzählerischen & sprachlichen Normen

Die Desorientierung von Lenz wird maßgeblich für die Form der Erzählung.
Zeitliche Ordnung & Satzbau weichen von  erzählerischen und sprachlichen Normen ab.
(Spiegelung, Form follows Function)

Zeitliche Orientierung

Zeitangaben werden aufgelöst durch das subjektive Zeitempfinden von Lenz, dessen Welt und Lebenszustand synchron & polyperspektivisch erzählt wird.
Detaillierte Handlungsbeschreibungen bekommen gleich viel Raum wie zeitraffende Zusammenfassungen.
z.B. 12,4-11
z.B. 13, 8ff. fast direkter Übergang von der Absicht zu predigen zum Tag der Predigt selbst

Syntax

Kurze Hauptsätze ohne Prädikat stehen neben langen Satzverbindungen. 
z.B. »Alles so still.« (12,31); »er versuchte alles, aber kalt, kalt.« (12,1)

Konsequenz für Leser*innen:


Der Text wird zur oszillierenden Fläche: Leser wird aktiviert, muss Textlücken überbrücken, kann nicht nur passiv konsumieren.

Donnerstag, 11. August 2016

Lenz: seine Symptome, seine Krankheit




Definition (1)


Beurteilung von Büchners literarischen Darstellung der Krankheit


Büchner hat […] einen nahezu vollständigen Katalog schizophrener Symptome zur Darstellung gebracht. Einige davon sind bei Oberlin nicht einmal erwähnt: das Stimmenhören, Verbigeration[1], Gedankenblockade, Grimassieren, Appersonierung[2], die Erfahrung von Ich- und Strukturverlust, von Subjekt-Objektverschmelzungen und von der allgegenwärtigen, monströsen Angst, die Lenz verfolgt. […] Und er hat diese Symptome nicht nur beschrieben, sondern ihnen eine beklemmende Präsenz verliehen, indem er auslösende Faktoren erwähnt, die Prozeßhaftigkeit der Symptome verdeutlicht und ihre Wirkung auf Lenz spürbar werden läßt.




[1] Verbigeration: Ständiges Wiederholen eines Wortes oder sinnloser Sätze (bei Geisteskranken).
(Def. Fremdwörterduden)

[2] Appersonierung (Def. Fremdwörterduden): Schizophrenes Krankheitsbild, bei dem der Kranke fremde Erlebnisse als eigene ausgibt und sich mit Verhaltensweisen anderer Personen identifiziert.